Hill: Als Kapitalmarktexperte und Dachfondsmanager beobachten Sie Märkte und Produkte aufmerksam. In einer Ihrer letzten Publikationen haben Sie sich kurz mit dem Thema Behavioural Finance beschäftigt, um dann gezielt die Anlageklasse Cat Bonds angesprochen. Warum sind Cat Bonds für Sie und andere institutionelle Anleger von besonderem Interesse?
Friedrich: Als Multi-Asset-Investor ist für unseren Fonds potenziell alles investierbar, was zumindest wöchentlich handelbar ist und dem UCITS-Regularium genügt. Darüber hinaus stellen wir an uns selbst den Anspruch, nur Kapitalmarkt-Segmente zu bespielen, welche wir ausreichend verstehen. Als Kriterium hierfür steht der Anspruch, eigene Ertrags- und Risikomodelle formulieren zu können. Im Cat-Bond-Segment ist dies der Fall, denn ich beschäftige mich schon seit Jahren mit dieser Anlageklasse. Um Ihre Frage konkret zu beantworten, unser Interesse an einer Anlageklasse ist primär an zwei Faktoren messbar: Erstens, welche potenziellen Erträge versprechen wir uns von einem Engagement? Zweitens, wie stark ist die Korrelation dieser Erträge mit dem Rest des Portfolios? Für eine Investition genügt im Grunde, wenn eine Anlageklasse in einer der beiden Dimensionen positiv hervorsticht. Im Extremfall könnte laut Portfoliotheorie sogar ein Investment mit negativer Ertragserwartung sinnvoll sein, wenn ein Vermögenswert stabil negativ korreliert. Katastrophenanleihen, oder kurz Cat Bonds, bieten im Multi-Asset-Kontext eigentlich die beste der möglichen Welten. Sie offerieren im Kontext der heutigen Marktsituation attraktive Renditen bei gleichzeitig niedrigen Korrelationskoeffizienten.
Hill: Wie bewerten Sie das Verhältnis von Risiko zu Ertrag?
Friedrich: Auf Basis einer reinen Sharpe-Ratio Betrachtung – Ertragserwartung geteilt durch die Schwankungsneigung – schlagen Cat Bonds praktisch alle anderen Anlageklassen. Allerdings muss man sich Gedanken über das richtige Risikomaß machen. Denn Cat Bonds haben die unangenehme Eigenschaft, von Zeit zu Zeit richtig große Verluste zu produzieren, und diese Verluste sind leider nicht prognostizierbar, denn sie werden durch Naturkatastrophen ausgelöst. Am schlimmsten sind dabei Wirbelstürme – typischerweise jene, die sich über dem Atlantik bilden und dann auf die Küste der Vereinigten Staaten treffen. Auf diese Weise können sich praktisch über Nacht Verluste im zweistelligen Prozentbereich einstellen. Als Investor in Katastrophenanleihen müssen Sie mit diesem Risiko leben können. Rein mathematisch gesprochen bedeutet dies, dass Sie sich bei der Optimierung nicht nur auf die Volatilität als Risikomaß verlassen sollten.
Hill: Welche Vorteile gibt es, welche Nachteile sind zu beachten?
Friedrich: Über die Vorteile hatten schon gesprochen: es handelt sich um ein überdurchschnittlich ertragsstarkes Investment mit geringer Korrelation zu traditionellen Anlageklassen. Dabei haben viele Investoren sich nach den enttäuschenden Jahren 2017 und 2018 zurückgezogen, zur Unzeit, wie wir denken. Denn die Versicherungsbranche hat heute mehr denn je Bedarf danach, Risiken im Kapitalmarkt abzulegen. Die Pandemie trifft diese Industrie schwer und wird ein großes Loch in die Bilanzen reißen. Cat Bonds-Investoren, auf der anderen Seite, sind praktisch ohne Verluste davongekommen, profitieren jedoch indirekt von den - noch nicht einmal genau bezifferbaren - Verlusten der großen Versicherungskonzerne. Wir haben erst vor einer Woche ein Beispiel davon bekommen, wie sich dies konkret darstellt: Google begibt gerade eine 237 Millionen US-Dollar schwere Anleihe, um seine Gebäude und Serverfarmen in Kalifornien gegen Erdbebenrisiken abzusichern. Dass die Firma hierfür den Kapitalmarkt benutzt ist für uns ein klares Indiz, dass die traditionellen Versicherer offensichtlich auf ihren Bilanzen keine ausreichende Kapazität mehr vorfinden, um diesem sicherlich attraktiven Kunden zufrieden stellende Konditionen zu bieten. Es ist ein Signal, dass der Versicherungsmarkt sich in einer „harten Phase“ befindet. Für Anleger ist dies eine gute Zeit, denn sie können die Konditionen von Katastrophenanleihen zu ihren Gunsten beeinflussen. Als Nachteil würde ich erwähnen, dass selbst die heutigen, aus historischer Sicht attraktiven Risikoaufschläge von sechs bis neun Prozent nicht vor plötzlichen, unvorhersehbaren Katastrophen schützen können. Ein Investment in Katastrophenanleihen bleibt vor diesem Hintergrund immer zum Teil ein Pokerspiel, auch wenn Sie im heutigen Marktumfeld ein relativ gutes Blatt haben. Wenn solche Verluste dann auftreten, sind natürlich die Zeitungen voll mit Berichten davon; dies erzeugt eine schwierige Situation für jeden Fondsselektor, der dann vor seinem Chef treten und die Verantwortung für ein großes Loch im Portfolio übernehmen muss.
Hill: Wie identifizieren Sie geeignete Asset Manager in diesem Segment?
Friedrich: Im Grunde gehen wir nicht anders vor als bei allen derartigen Entscheidungen. Wir beobachten den Markt und erstellen Listen mit allen verfügbaren Anbietern. Im Fall von Katastrophenanleihen ist das sogar relativ einfach, denn es handelt sich um einen echten Nischenmarkt mit einer überschaubaren Zahl von Anbietern. Ich denke sogar, dass wir mit allen für uns investierbaren Fonds heute in Kontakt stehen. Dann kommt es darauf an, wie sehr uns der jeweilige Ansatz überzeugt. Die Qualität des Teams steht wie immer im Mittelpunkt, die Erfahrung in der Versicherungswirtschaft ist in diesem Fall wirklich ein zentrales Thema. Zusätzlich achten wir darauf, dass die Balance aus Risikovermeidung und Wahrung von Ertragschancen unseren Bedürfnissen als Multi-Asset Investor gerecht wird. Denn es macht schon einen großen Unterschied, ob Sie das spezifische Risiko voll trifft oder ob es Sie es wegdiversifizieren können.
Hill: Falls man sich mit dem Thema intensiver beschäftigen möchte – gibt es interessante Literatur dazu?
Friedrich: Es gibt einen guten Artikel der New York Times aus dem Jahr 2007, den der Bestseller-Author Michael Lewis verfasst hat, mit dem Titel „In Nature’s Casino“. Der ist zwar schon alt, aber Sie können anhand dessen die Entstehung der Assetklasse gut nachvollziehen. Für aktuelle Informationen zum Wettergeschehen bietet das „National Hurricane Center“ umfangreiche Informationen an. Im deutschsprachigen Raum gibt es auch noch die Seite www.catbond.com, die einige weiterführende Informationen enthält.
Hill: Als Head of Research beschäftigen Sie sich intensiv mit volkswirtschaftlichen Themen. Welches Thema steht gerade im Brennpunkt Ihres Interesses?
Friedrich: Wir müssen eigentlich immer ein breites Spektrum von Themen abdecken. Zentral dabei ist aber sicherlich der Zinsausblick, der sich wiederum aus der längerfristigen Analyse des Wirtschaftsgeschehens ableitet. Im Augenblick arbeite ich deshalb gerade an einem Abriss des Inflations-Ausblicks. Daran hängt sehr viel, denn mittlerweile ist durchdringt der Niedrigzins als kursbestimmender Faktor in fast alle Anlageklassen. Ein Zinsanstieg würde Investoren deshalb vor eine völlig neue Situation stellen. Wenn Sie falsch positioniert sind, könnten die Auswirkungen durchaus katastrophal sein.
Hill: Vielen Dank für das Gespräch.
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Kontakt: info@markus-hill.com; Website: www.markus-hill.com
Martin Friedrich ist Portfoliomanager des Lansdowne Endowment Fonds und Head of Research. Er kam im Januar 2019 zu Lansdowne Partners Austria von HQ Trust, einem der größten unabhängigen Multi-Family Offices in Deutschland. Herr Friedrich war dort seit 2009 beschäftigt, zuletzt als Leiter der Kapitalmarktanalyse und Co-Chief Investment Officer. Zusätzlich betreute er Kundenportfolios und war zuständig für den Investmentprozess von LIQID, einem Fintech Unternehmen in Berlin.
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