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Gastbeitrag: Praktiken und Chancen des Pensionsrisikomanagements im aktuellen Marktumfeld

Der Zinsanstieg im Jahr 2022 war historisch. Nur einmal in über 150 Jahren legten die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen absolut betrachtet stärker zu. Das hat auch den Ausfinanzierungsgrad der Pensionseinrichtungen von Unternehmen beeinflusst. Und zwar positiv. Das geht aus dem 4. Pension Monitor hervor, den Insight Investment in Kooperation mit der Frankfurt School of Finance & Management veröffentlicht. Demnach hat sich die durchschnittliche Ausfinanzierung im Jahr 2022 global betrachtet auf rund 96% verbessert¹.

Wolfgang Murmann

Der Ausfinanzierungsgrad gibt an, inwieweit der Barwert der Pensionsverpflichtungen durch dediziertes Pensions-vermögen gedeckt ist. Im Jahr 2021 hatte sich der Wert infolge steigender Pensionsvermögen bereits signifikant verbessert. Der starke Zinsanstieg und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine wirkte 2022 zwar negativ auf den Wert der Pensionsvermögen. Doch gleichzeitig stieg der Rechnungszins zur Kalkulation des Barwerts der Pensionsverpflichtungen global von 1,11% auf 3,26%. Dabei war der Barwerteffekt größer als die Verluste in der Kapitalanlage. Im Ergebnis verringerte sich die Finanzierungslücke zum Ende des Jahres 2022 global auf rund 105 Mrd. Euro. Das war das geringste Defizit im gesamten Untersuchungszeitraum².

Zum Vergleich: Ende 2020 hatte die Lücke global noch 550 Mrd. Euro betragen. Allerdings streut der Ausfinanzierungsgrad stark. Allein bei den vier Ländern mit den größten betrieblichen Defined-Benefit-Märkten reicht die Spanne von 68% in Deutschland bis 112% in Großbritannien. Auch innerhalb der Länder streuen die Werte der Unternehmen erheblich. Insgesamt untersucht der Pension Monitor betriebliche Pensionseinrichtungen mit Leistungszusagen (Defined Benefit) von über 2000 Firmen in 14 Ländern. Die betrachteten Pensionsverpflichtungen belaufen sich dabei auf mehr als 2,7 Bio. Euro.



Gestiegenes Hedge Ratio
Angesichts des insgesamt verbesserten Ausfinanzierungsgrads betrachtet die aktuelle, vierte Ausgabe des Pension Monitor speziell die derzeitige Resilienz, zum Beispiel gegenüber zukünftig rückläufigen Zinsen, da dies für viele Pensionseinrichtungen ein dominierender Risikofaktor ist. Grundlage dessen ist das Asset-Liability-Management. Hier setzen viele Trägerunternehmen auf Strategien des Liability-Driven-Investments (LDI), um die Kapitalanlagen in definiertem Umfang mit den Pensionsverpflichtungen in Einklang zu bringen. Das Hauptziel ist die Minimierung des Risikos, dass infolge von veränderten Kapitalmarktbedingungen, insbesondere bei Zinsen und Inflationserwartung, eine finanzielle Schieflage droht. Die Effektivität eines LDI-Ansatzes lässt sich messen, indem man untersucht, inwieweit Veränderungen bei den Pensionsverpflichtungen durch entsprechende Veränderungen beim Pensionsvermögen ausgeglichen werden.

Ein Schätzer dafür ist das Hedge Beta. Ein Wert von 100% bedeutet, dass Veränderungen der Pensionsverpflichtungen durch entsprechende Veränderungen des Pensionsvermögens ausgeglichen werden. Der Ausfinanzierungsgrad bleibt in diesem Fall stabil. Je niedriger das Hedge Beta, desto höher die Anfälligkeit gegenüber Veränderungen der Marktbedingungen. Unternehmen, die eine möglichst hohe Gewissheit wünschen, dass ihre Pensionsverpflichtungen kein unerwartetes Risiko für die Bilanz bergen, streben deshalb in der Regel ein hohes Hedge Beta an.

Laut Pension Monitor beträgt das Hedge Beta per Ende 2022 global betrachtet rund 79%. Damit sind Pensionseinrichtungen insgesamt gut gegen Zinsänderungsrisiken abgesichert. Die Werte der einzelnen Länder weichen aber deutlich vom Durchschnitt ab. So weist Großbritannien mit über 96% den höchsten Wert auf. In den USA beträgt das Hedge Beta 83%, in Japan 74% und in Deutschland nur 42%. Insofern sind deutsche Pensionseinrichtungen anfälliger für sich ändernde Marktbedingungen. Zudem liegt der Absicherungsgrad hier nur geringfügig höher als im Jahr 2021 (38%). Global stieg das Hedge Beta innerhalb eines Jahres dagegen deutlich von 64% auf 79%. Viele Unternehmen nutzten also die gestiegenen Zinsen, um Pensionsrisiken in einem höheren Umfang abzusichern.



Insgesamt weist ein hohes Hedge Beta in Kombination mit geringen Schwankungen des Ausfinanzierungsgrads auf ein effektives Risikomanagement einer Pensionseinrichtung hin. Setzt man die beiden Größen in Relation, zeigt sich, wie hoch die Absicherungsquote je Prozentpunkt Ausfinanzierungsgrad ist. Intuitiv würde man Werte um 1 erwarten, sprich, dass die Absicherungsquote in etwa dem Ausfinanzierungsgrad entspricht. Ende 2022 lag der entsprechende Werte global bei 0,9, in Deutschland hingegen nur bei 0,64. Deutsche Pensionseinrichtungen haben im internationalen Vergleich also sowohl absolut (Hedge Beta von 42% vs. 79%) als auch relativ (Hedge Beta im Verhältnis zum Ausfinanzierung) ein vergleichsweise hohes Asset-Liability-Mismatch. Entsprechend sind sie anfälliger gegenüber unvorteilhaften Kapitalmarktentwicklungen, insbesondere sinkenden Rechnungszinsen. Umgekehrt profitierten Länder wie Deutschland, in denen die Pensionsverpflichtungen in geringerem Maße abgesichert waren, aber auch am meisten von der Zinswende im Jahr 2022.

Fazit
Viele Unternehmen haben in den Jahren 2021 und 2022 bedeutende Fortschritte bei der Schließung der Pensionsfinanzierungslücke erzielt. Nun geht es darum, das Risiko zu verringern, das Erreichte durch unvorteilhafte Kapitalmarktentwicklungen wieder zu verlieren. Der Anstieg der Anleiherenditen in Kombination mit historisch hohen Ausfinanzierungsgraden könnte eine einmalige Chance für Pensionseinrichtungen darstellen, die derzeit ein niedriges Hedge Beta aufweisen. Angesichts der relativ hohen Renditen am Markt haben sie die Möglichkeit, die Absicherungsquoten zu – im historischen Kontext – attraktiven Konditionen zu erhöhen. Frühere Ausgaben des Pension Monitor haben bereits gezeigt, dass Unternehmen von den Kapitalmärkten für ein gutes Pensionsrisikomanagement belohnt werden: Unternehmen mit niedrigen Pensionsrisiken weisen in der Regel bessere Aktienkursentwicklungen, niedrigere Refinanzierungskosten und höhere Unternehmensbewertungen auf als Unternehmen mit hohen Pensionsrisiken.


¹Die Betrachtung erfolgte sowohl global als auch auf Länderebene für die größten Pensionsmärkte des Research-Universums (USA, Vereinigtes Königreich, Japan, Deutschland). Dadurch können Gemeinsamkeiten ebenso wie Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und deren zeitliche Entwicklung festgestellt werden.
²Untersuchungsgegenstand der vorliegenden 4. Ausgabe sind die betrieblichen Pensionseinrichtungen mit Leistungszusagen (Defined Benefit; DB) von über 2000 Unternehmen in 14 Ländern. Für die Studie wurden die Finanzberichte dieser Unternehmen im Zeitraum 2010-2022 ausgewertet.


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*) Wolfgang Murmann, Head of Distribution and Solutions, Germany and Austria bei Insight Investment