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„Wir wollen für Anleger der Bondersatz sein, den es vor 10 Jahren gar nicht gebraucht hätte“

IPE D.A.CH-Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Jens Kummer, Senior Portfolio Manager bei StarCapital, über die Einsatzmöglichkeiten marktneutraler Aktienstrategien.

Jens Kummer

IPE D.A.CH: Herr Kummer, Sie bzw. Ihr Haus bietet viele „klassiche“ long-only Aktienstrategien ab, wann kamen Sie an den Punkt über marktneutrale Strategien nachzudenken?
Kummer: Die Umsetzung war in der Tat nicht ganz einfach. Aber die Anleger nehmen – gezwungenermaßen – immer mehr ein großes Risiko ins Portfolio, Wachstum. Das kann über Aktien oder aber auch Kreditrisiken abgedeckt werden, was über die letzten zehn Jahre ja auch sehr sinnvoll war. Jetzt, so sind wir der Meinung, sind die Märkte an einem Punkt angekommen, an dem auch alternative Anlageklassen interessant werden.

IPE D.A.CH: Also in erster Linie Diversifikation?
Kummer: Der Faktor Diversifikation kombiniert mit einem positiven Erwartungswert, das wollen wir mit unserer marktneutralen Aktienstrategie liefern. Wir sehen eine Aktienquote von 30% im Portfolio für viele Anleger als durchaus für sinnvoll, sehen jedoch auch die Notwendigkeit, diesen Portfolioteil bei Marktrückschlägen zu stabilisieren. Das funktioniert mittel- bis langfristig sehr gut.

IPE D.A.CH: …und kurzfristig?
Kummer: Kurzfristig sind Betastrategien, wie wir sie selbst auch anbieten, natürlich oben auf. Unsere Strategien liegen aktuell in 2019 rund 10% vorne, während unsere marktneutrale Strategie leicht im Minus ist. Derzeit wird ganz einfach noch Beta gespielt, Momentum ist der Faktor der läuft. Aber wir alle wissen, dass ein Trend meist schnell und ohne große Anzeichen drehen kann.

IPE D.A.CH: Wie funktioniert Ihre Strategie?
Kummer: Wir versuchen im Prinzip Muster aus der Vergangenheit bzw. Eigenschaften am Kapitalmarkt, die auch wissenschaftlich nachgewiesen sind, zu erkennen und diese akribisch im Portfolio zu implementieren. Unser Ziel damit ist es, eine Rendite von 3-5% nach Kosten mit einer Volatilität von 3-4% zu erreichen. Im Prinzip wollen wir der Bondersatz sein, den es vor 10 Jahren gar nicht gebraucht hätte.

IPE D.A.CH: Wie ist Ihr Investmentuniversum definiert?
Kummer: Wir beschäftigen uns nur mit Euroland Aktien und untersuchen die 350 größten und liquidesten Werte. Davon kaufen wir am Ende 70 Aktien mit – aus unserer Sicht – besonders positiven Eigenschaften und verkaufen auf der anderen Seite 70 Aktien, um das Marktbeta auszuschalten. Wir sind dabei nicht nur marktneutral, sondern auch branchenneutral, um unbeabsichtigte Effekte zu vermeiden. Wir haben insgesamt 14 Branchen, in denen wir jeweils fünf attraktive Aktien kaufen und die fünf unattraktivsten Titel verkaufen.

IPE D.A.CH: Über wie viele Faktoren sprechen wir, anhand der Sie Unternehmen analysieren – sprich wie kommen Sie am Ende zur Einzeltitelauswahl?
Kummer: Wir sprechen insgesamt über 19 Faktoren aus fünf Bereichen, wie z.B. Bewertung, Wachstum, Qualität und Momentum. Um ein stabiles Ergebnis zu erzielen, ist uns diese Breite sehr wichtig. Entsprechend wählen wir am Ende auch Aktien aus, die über alle Faktoren gut aussehen und nicht Titel, die bei einem einzelnen Faktor ganz oben stehen.

IPE D.A.CH: Wie sieht das Rebalancing aus?
Kummer: Jeden Monat wird das Portfolio wieder auf Null gestellt, sprich die ursprünglichen Gewichtungen wieder herstellt. Der Umschlag ist damit natürlich deutlich höher als bei klassischen diskretionären Modellen. Der Verfall des Alphas über die Zeit ist allerdings beeindruckend hoch, daher ist eine zeitnahe Reallokation der Portfolios geboten. In Summe schlagen wir das Portfolio zwei Mal im Jahr um und haben klar gesehen, dass sich die monatliche Vorgehensweise lohnt – zumal die expliziten Kosten gering sind.

IPE D.A.CH: Wer geht aktuell in marktneutrale Aktienstrategien – sind es Aktienanleger die diversifizieren oder Bondanleger die am Aktienmarkt Renditen mit den Risikokennziffern einer Bondanlage suchen?
Kummer: Ganz klar letztere Gruppe. Kaum ein Anleger verkraftet dauerhaft die Negativzinsen, entsprechend werden Alternativen gesucht. Vieles davon geht natürlich in den High Yields und Private Debt. Wir sehen aber auch Interesse für marktneutrale Strategien.

IPE D.A.CH: Das letzte Quartal 2018 dürfte dabei auch geholfen haben, Interesse zu generieren. Wie lief Ihre Strategie im Rahmen der Marktvolatilität in diesem Zeitraum?
Kummer: Wir waren im vierten Quartal 2018 in allen Monaten positiv! In diesem Zeitraum – auch noch zu Jahresanfang 2019 – hat man gesehen, wie eine solche Strategie im Portfoliokontext helfen kann.

IPE D.A.CH: Herr Kummer, besten Dank für diese Einblicke!

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Veranstaltungshinweis: Jens Kummer spricht über das Thema „Marktneutrale Aktienstrategien“ im Rahmen unserer Frühstücksseminare „Am Ende des Zyklus: Institutionelle Investmentstrategien und Risikomanagement“. Mehr Informationen zur Seminarreihe und eine Anmeldemöglichkeit finden Sie hier.